Wednesday, October 10, 2007

Germany & the EU: Sind Wir Auch Deutschland?

The following essay “Sind Wir auch Deutschland?” (Are we Germans too?) is the original German-language version of the essay published in my previous post about black European women speaking out against racism and discrimination. The author, Patricia (Trish S.), is an African-German university student who grew up in the old Hanseatic League city-state of Bremen and is pursuing a degree in American Studies at the Universität Bremen.

This post is written in both the German (Deutsch) and English languages so if you have trouble understanding one just focus on the other. At the end of this post I have included related articles and online resources about national and cultural identity in Europe, racism and discrimination, and immigration challenges facing Europeans and new immigrants to Europe. More resources on these subjects can be found in the previous post referenced in the paragraph above. There are also new updates from Adrianne George about the excellent speakers and organizers of the 1st Black European Women’s Congress 2007 held in Vienna, Austria last month.



Sind wir auch Deutschland?

In der Bundesrepublik Deutschland leben schätzungsweise 300.000 schwarze Deutsche beziehungsweise Afro-Deutsche. Wir sind hier geboren und aufgewachsen und sehen in Deutschland unsere Heimat. Wir betrachten uns als Bundesbürger und werden doch immer wieder in die Lage gebracht, uns über unsere „ursprüngliche“ Herkunft ausfragen lassen zu müssen. Als Bonbon gibt es dann meistens noch ein grosses, herziges Lob für unsere wirklich „hervorragenden“ Deutschkenntnisse. Sollte wir dann freundlich darauf hinweisen, dass dies mit der Tatsache zusammenhängt, dass Deutsch unsere Muttersprache ist, besteht die Möglichkeit, damit das ein oder andere Weltbild unwiderruflich zu zerstören. Die Enttäuschung ist gross. Oftmals wird uns zudem noch angeraten, nicht so überempfindlich zu sein und uns nicht ständig auf unsere Hautfarbe angegriffen zu fühlen.

Aber wie sollen Rassismus und Stereotypisierung keine Rolle in meinem Leben spielen, wenn ich quasi damit aufgewachsen bin und sie seit dem Kindergarten bis jetzt - ich wurde 1976 in der wunderschönen Hansestadt Bremen geboren - immer wieder auftauchen? Konstant und nervtötend, ganz so wie ein nicht tot zubekommender Seifenoper-Charakter. Leider sind die Szenen des Alltags meistens eher spärlich ausgeleuchtet und es gibt keine Auflösung zu Gunsten der Afro-Deutschen Protagonistin. Diese taucht nämlich eher selten, und wenn, dann nur in einer Nebenrolle auf. Liebevoll verpackt in leichtverdaulichen Klischees: als illegale Einwanderin, Putzfrau, Sängerin, Rapperin oder Tänzerin.

Man muss in der Tat nach relativ normalen Darstellungen von Afro-Deutschen Menschen in TV-Serien und Filmen suchen. Die „Exotik“ und das aufdiktierte „Anderssein“ schwingt stets unterschwellig mit. Es ist fast so, als wäre es unmöglich, dass ein Charakter einfach Schwarz ist und Deutsch. Oder zumindest akzentfrei Deutsch spricht. Das passt nicht ins Bild. Das passt nicht hierher. Glaubt man nämlich dieser perfekten Klischee-Welt, die uns die deutsche Fernsehlandschaft tagtäglich kredenzt, gibt es in Deutschland nur ein kleines Grüppchen schwarzer Menschen, das ihren Alltag damit verbringt sich vor der Einwanderungsbehörde zu verstecken, Drogen zu verkaufen, zu tanzen, zu rappen oder im Gospelchor zu singen, wenn man nicht gerade damit beschäftigt ist sich über seine Hin-und-Hergerissenheit zwischen Deutschland und Afrika ( weil ja bekanntlich alle schwarzen Menschen aus Afrika kommen …) ernsthafte Gedanken zu machen.

Ich frage mich manchmal wie das Leben in der Welt der Klischees und Stereotypen für die Repräsentanten dieser Gruppe wäre. Der (Sarotti-) Mohr ist ja schon länger wieder da. Wie wäre das so für ihn und seine Freunde die „zehn kleinen Negerlein“? Elf kleine Stereotypen, die versuchen den Einbürgerungsbogen auszufüllen, die brav versuchen ihre „rassische“ Herkunft zu erklären, und dann aus unerklärlichen Gründen von unseren Freunden und Helfern, nach ihren Ausweispapieren gefragt werden. Sie werden geduzt, durchsucht und damit sie besser verstehen, was da mit ihnen passiert, spricht laut mit ihnen, weil sie a) mit Sicherheit kein Deutsch sprechen oder verstehen und b) es besser und schneller lernen, wenn man sie anschreit (Ich rate hier nur). Es handelt sich beim Deutsch bei Amtshandlungen dieser Art in den meisten Fällen um eine eher rudimentäre Abwandlung der deutschen Sprache, in der es zu derart kreativen Satzkonstruktionen kommt, dass es selbst eingefleischten Literaturkritikern Tränen der Rührung in den Augen treiben würde. So werden sie dann angebrüllt, unsere elf „Schwarz-Afrikaner“. Die Welt zu Gast bei Freunden – und Helfern. Nur so ein Gedanke.

Wenn mich die Mutter meiner Nachbarin für die Putzfrau hält, weil ich einen Stausauger aus dem Keller nach oben trage, und mich zudem noch mit einem freundlichen „ Cleaning?“ auf Englisch anspricht, kann ich danach trotzdem noch einen gelassenen Tag verleben. Selbst, wenn in der Konditorei jemand vor mir einen Negerkuss bestellt, mich dann entdeckt und ihn hektisch zu einem Mohrenkopf umwandelt, muss mir das nicht gleich den ganzen Tag verderben. Kritisch wird es erst, wenn ich den Fernseher einschalte, und Angehörige des Deutschen Adels, die in der Öffentlichkeit stehen ,die Aids-Problematik auf dem afrikanischen Kontinent mit der Tatsache erklären, „dass der Schwarze an sich halt gern schnackselt“.

Mein Wunsch nach lauten, medienwirksamen Protesten verstärkt sich dann um ein weiteres wenn ich mir im Fernsehen eines dieser vielseitigen Comedy-Formate, in denen stets ein und dieselben Comedians auftreten, ansehe und einer dieser Comedians den Begriff Kohlen-Latte, natürlich nur im Scherz, als Bezeichnung für das Genital eines dunkelhäutigen Mannes erklärt. Ein Brüller. Das Publikum tobt. Einfach Genial – daneben.

Situationen wie die oben genannten kommen immer wieder vor. Sie häufen sich sogar, denn niemand entlarvt diese verbalen Entgleisungen öffentlich als das, was sie sind: Rassismus. Scheinbar glaubt man tatsächlich, dass wenn man jegliche Form von Rassismus ignoriert, er von ganz alleine verschwindet. Doch genau das tut er nicht, er nimmt nur andere Formen an und weitet sich somit zu einem Problem aus und zwar für alle Menschen in diesem Land. Man sollte daher endlich damit aufhören, ihn wie einen Mythos zu behandeln.

Ein Anfang wäre da die Abwendung von dem Gedanken, dass „Deutsch“ automatisch „weiss“ bedeutet. Meines Erachtens liegt eine grosse Verantwortung da bei den Medien und ihrer Darstellung von schwarzen Menschen in Deutschland, denn wie bisher kann es nicht weitergehen. Wenn ich den Fernseher anschalte, möchte auch ich mich repräsentiert sehen und zwar nicht als eines der vielen Klischees, sondern als ganz normalen Menschen und vor allem als Bürgerin ,und somit Teil, dieses Landes.


Author: Trish S., Universität Bremen – Juli 2007

ENDE


Related news articles, blog posts, and other online resources

Jewels in the Jungle
Austria and Germany: Black Women Speak Out Against Racism and Discrimination in Europe, 10/02/07

The New York Times
Immigration, Black Sheep, and Swiss Rage by Elaine Sciolino, 10/08/07
The ruling Swiss political party runs a national election campaign driven by racial fears.

Spiegel Online International (English edition of Der Spiegel magazine)
Interview with the Turkish-German author Dilek Güngör
‘My Identity is Constantly Present’

Dilek Güngör, author of the recently published “The Secret of My Turkish Grandmother”, talks about her relationship to Turkey, German ideas about nationality, and the absurdity of being considered a poster child for successful integration.

Reuters article about the Turkish-German journalist and author Dilek Güngör: “
German Author Grew Up Battling Cliches"

Perlenleuchter.de feature article about the journalist and author Dilek Güngör and her popular Berliner Zeitung newspaper column “Unter Uns
Vom Nachttish geräumt (09/08/04)


AFRA – International Center for Black Women’s Perspectives (Austria)
Press release:
Conclusion of the 1st Black European Women’s Congress 2007 in Vienna, Austria (Deutsch)

Black Women in Europe blog on the 1st Black European Women’s Congress
Profile: Dr. Grada Kilomba (Humboldt Universität – Berlin, Germany)
Profile: Hellen Felter (Tiye International, Utrecht, The Netherlands)
Profile: Dr. Ama Mazama (Temple University, Philadelphia, PA. USA)
Profile: Sylvia Serbin (journalist, author, historian – France)
Profile:
Zeedah Meierhofer Mageli (Director of Center for Black Women - Zurich, Switzerland)
Profile: Brenda King (European Economic and Social Committee – SOC Section, Brussels, UK)
Black European Women’s Congress Vienna Declaration (English)
Wiener Deklaration der Kongresses europäischer Schwarzer Frauen (Deutsch)

BlackPrint blog by Victoria Robinson (German, English)
Die Vienna Declaration of the Black European Women’s Congress (post includes a group photo of several of the conference attendees)

Community-Beitrag in Kolonialismus-Broschüre
Essay about the controversy over a memorial to the 18th Century German merchant, slave trader and slave holder Heinrich Karl von Schimmelman. Also see a similar controversy over the monument for 19th Century German colonialist Capt. Hermann von Wissmann at the Afrika-Hamburg Project website.

Mügeln aus afrodeutscher Perspektive
Germany’s newspaper Die Zeit Online interviews Manuela Ritz, an anti-racism trainer and black German who grew up in the East German town where neo-Nazis attacked Indian immigrants in August 2007.

Der Braune Mob e.V. Online – website about black Germans in the media and public life
Der Scwharze Blog - a media watchdog blog from African-German perspectives


Spiegel International Online
Articles published in the popular German news magazine about the ongoing struggle with immigration, radical right-wing groups, and violence against “foreigners”.

In Wake of Racist Attacks in Mügeln
Germany Wonders How to Stop the Neo-Nazis

Racism Alive and Well
After Attack on Indians, Germany Fears for Its Reputation

A New Broom in Paris
France to Pay Immigrants to Return Home, 05/24/07

United on Fighting Hate
EU Agrees on Watered-Down Anti-Racism Law, 04/20/07

An African Dream
I’ll Make It to Europe or Die Trying, 05/18/06
Photo galleries:
Chasing the European Dream,
Getting to Europe at All Costs

Assaulting Ceuta and Melilla
Through the Razor Wire and Into the EU

The Financial Times (London)
EU told to accept 20 million migrant workers by 2025, 09/12/07
Immigration: the quest to become a magnet for migrants, 09/04/07
Spain tops destination list for EU migrants, 02/18/07

Foreign Policy Association blog –
Migration Europe archives

About.com Europe’s New Immigration
An overview of Muslim and African immigration in Europe

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1 comment:

ondamaris said...

natürlich sind auch die hier lebenden afro-deutschen deutsche (auch wenn das so manchem nicht passen mag), für mich keine frage
und - was die unseelige aids-äußerung einer dame des adels angeht, kann man/frau sich nur entschuldigen und versichern, dass diese äußerung auch in den aids-welten entsetzen hervorgerufen hat ...
http://ondamaris.blogspot.com/